Wunder geschehen seltsam

Guten Tag Frau B.

Schreiben ist Überlebenskraft, hat­te Melinda gesagt. Nun, punkt vier, zuver­läs­sig auf­ge­wacht. «Sie rackert fünf Jahre lang ohne Ferien und nur zwei Stunden Schlaf pro Nacht…», das steht im Interview. Stimmt nicht, hat­te ich gedacht, das kann nicht stim­men. Zwei Stunden geht nicht, nicht wäh­rend fünf Jahren – bei mir sind es wenigs­tens drei.

If it makes you hap­py, it can’t be that bad – I pro­mi­sed you I would never give up.

Eins bis vier. Ich habe Folge geleis­tet. «Nicht schla­fen geht gar nicht», hat­te Dr. T. gesagt. Einverstanden. Regenwaldnacht ent­stand gänz­lich ohne Schlaf. Geht nicht. Drei Stunden, das sind zwei Zyklen, dann hat­te das Gehirn begon­nen, Sätze zu pro­du­zie­ren. Hat es auf eige­ne Faust begon­nen, hat es ihm Lily ein­fach erlaubt? I don’t care. If it makes you hap­py, it can’t be that bad. Schreibrausch, Schreiblust? I don’t care.

Am 10.03.2017, 17:46 war Ihr E‑Mail ein­ge­trof­fen. Anfrage vom 06.03.2017, 10:44

Heute ist der 11. März (der Tag, an dem HAGARD ent­stand), vier Uhr grad vor­bei. Zuverlässig auf­ge­wacht. Drei Stunden Schlaf, nicht zwei. Zwei geht nicht, habe ich gesagt. Am glei­chen Abend in der Box die Uraufführung von “Tauben flie­gen auf”. Wunder gesche­hen selt­sam, hat­te ich gedacht. – «Wunder?», fra­gen Sie. Ja, die eige­nen, klei­nen Wunder. Jedem ste­hen sie doch zu.

Love is a batt­le­field. Believe me, I can’t tell you why. I don’t care, no mat­ter why!

Minuten frü­her: Die Mutter des Sohnes teilt tele­fo­nisch mit, die Geburtstagsparty am 17. März fin­de erst­mals nach 23 Jahren nicht statt. L. habe abge­sagt (er hat der Ursprungsfamilie einen Korb gege­ben) – «es sei Zeit für die eige­ne Party!»

I don’t care – mein Stoppwort hat­te sie ver­langt.

Ich ver­las­se mich dar­auf, ich ver­su­che es: Wunder gesche­hen selt­sam. Ihr E‑Mail war ein­ge­trof­fen. Eigenes, klei­nes Wunder. Dann die Uraufführung, dann Melinda ken­nen­ge­lernt. Eigenes klei­nes Wunder. Sind wir noch zusam­men, fra­ge ich in Gedanken. Sprunghaft, hat­te er gesagt. Yes – but I don’t care. M. hat­te abge­sagt, spä­ter L. ken­nen­ge­lernt. Zwei Musen tun gut, hat­te ich gedacht. 22 Bücher, dann die Uraufführung, dann Melinda ken­nen­ge­lernt…

«Alles Gute für Ihr Schreibprojekt», hat­te sie geschrie­ben. «Herzlich, Melinda»

«Guten Tag Frau B., wären Sie bereit, für die­ses Projekt etwas zu spon­sern, wenn auch viel­leicht ein gutes Wort

Um 17:46 war Ihr E‑Mail ein­ge­trof­fen: «Das klingt aber span­nend. Ich den­ke dar­über nach, was ich für Sie tun kann. Herzliche Grüsse, B.» – sind wir noch zusam­men, fra­ge ich. Sprunghaft, hat er es genannt.

Lost on you, but I don’t care – Yes, you care. Now. But not fore­ver.

Nach drei Stunden Schlaf, punkt vier. Produktive Sätze, hat­te ich geträumt. Sie hat­ten mich wach werden las­sen. Erleichterung. Erinnerung an “Tauben flie­gen auf”.

Manisch? Submanisch, wie Dr. T. dann sag­te? Yes, I don’t care. Jeder ist des eige­nen Glückes Schmied. Eigentherapie. Drei Sonnen. Jeder hat mehr als zwei Gesichter, sagen sie. Kommatas?!? Geht gar nicht, hat­te F. gesagt. Ich schmunz­le. Sie schnaubt genüss­lich. Was soll ich Dir ans Bett brin­gen? Kaffee oder Tee? Ja, ich hät­te mich in dich ver­liebt, sagen sie.

«Korinthenkacker», sagt die Patientin. Gehen wir jetzt duschen, fragt sie. Und dann, Sekunden spä­ter: «Nein, nein, nicht zusam­men!» Wir lachen herz­haft.

«Gern gesche­hen», hat B. (“Autorin, Performerin, Teaching Artist”) geschrie­ben. «Hat auch mir gut getan. Ich habe danach sehr gut geschla­fen und stark geträumt. Und hier sind noch die Blumen zu ges­tern. Hebs guet. Lieber Gruss.»

Bald sechs Uhr mor­gens. Er wird die Türe öff­nen, den­ke ich. Schlafkontrolle. Yes, I care. Ich lege mich hin und schla­fe ein. Sanft.

I’ll be your cloud up in the sky.
I’ll be your should­er when you cry.
I’ll hear your voices when you call me.
I am your angel.

And when all hope is gone, I’m here, no mat­ter how far you are, I’m near.
It makes no dif­fe­rence who you are.
I am your angel.

Freundliche Grüsse!  ▬


Übrigens …

«Wenn wir Angst haben, wenn wir ver­liebt sind, zum Beispiel, ist die gan­ze Welt ver­zau­bert … In der Psychiatrie kann man dafür eine Diagnose bekom­men …»

  Sonntag, 26.03.2017, Eckart von Hirschhausen, SRF, Sternstunde Philosophie
Die wun­der­sa­me Macht der Gedanken. Über Glück, Medizin und – die Wunder.