“ TWENTY YEARS FROM NOW YOU WILL BE MORE DISAPPOINTED BY THE THINGS THAT YOU DIDNʼT DO THAN THE ONES YOU DID DO. SO THROW OFF THE BOWLINES. SAIL AWAY FROM SAFE HARBOR. CATCH THE TRADE WINDS IN YOUR SAILS. EXPLORE. DREAM. DISCOVER.”
Mit diesem Zitat hattest Du mich heute angesprochen, den Kontakt im Chat wieder aufgenommen. Angetroffen hattest Du mich auf halbem Weg. Ich liebe diese Art der Begegnung: Gedanken, die sich treffen, die erahnen lassen, dass es mehr gibt als die bewusste Absicht, als den vereinbarten Plan und das, was zu tun ist. Es gibt ihn, den Raum im Kosmos, in dem «es» uns begegnet, wenn der Moment gekommen zu sein scheint …
Ich wollte Dich ja an jenen Ort einladen, an dem ich für Dich die Wander Society entdeckt hatte. Du schreibst: «Wir sind bereits im Kosmos.»
Ich gehe auf Dich zu, freue mich, Dich wieder einmal zu sehen, ziehe mir die Mütze vom Kopf und weiss erst jetzt, warum ich gezögert hatte: Du hattest Dich nicht gerührt. Nach kurzem Blickkontakt mit etwas spitzem Ton nur «Hallo», worauf ich Dich dann endlich mit meiner Stimme grüsse. Wir entspannen uns. Du rührst Dich trotzdem nicht. Ich erwähne, ihn dort drüben bei den Büchern gesehen zu haben. Ja, er und ich, wir hatten Blickkontakt. Es war nicht schwierig, ihn zu erkennen und er wird meinen Blick wohl entziffert haben, meinen etwas prüfenden Blick. Du erwähnst, ihn informiert zu haben. Du rührst Dich nicht. Ich hätte Dich gerne umarmt. Freundschaftlich. Worüber hast Du ihn informiert? Er wusste, dass ich komme, ja. Und sonst?
Meine Geschenke würden ihn stören, sagst Du. Warum weiss er von meinen Geschenken, frage ich mich jetzt. Erzählst Du ihm von den Geschenken oder von der Freude, die sie in Dir auslösen? «Lieb von Dir», hattest Du geschrieben, als der kleine Engel frühmorgens vor der Türe auf Dich gewartet hatte. Erzählst Du das auch? Erzählst Du es, weil Du Dich von ihm getrennt hattest, wie Du vor einigen Wochen geschrieben hattest? Würde es ihm denn besser gehen ohne meine Geschenke? Körperlich besser? Seelisch besser? Übrigens: mich stört, dass er Dir die Füsse massiert vor meinen Augen. Dies möchte ich ja vielleicht auch, Dir die Füsse massieren. Würde es mir besser gehen, er täte es nicht? Möchte er sich nicht vorstellen, auch einen Teil zu bekommen von Deiner Freude an den Geschenken?
Was mir durch den Kopf geht: Hat er die Füsse an sich genommen, als ich mir an der Bar das Getränk geholt hatte? Oder hast Du sie ihm auf seine Beine gelegt, um ein Zeichen zu setzen, um zu sagen, ich gehöre zu ihm? Geht es darum, wer zu wem gehört? Oder geht es um die Freude, die bleibt, die sich ausbreitet?
Ben Moore erzählt unterdessen, wie die neuen Teleskope mit goldenen Spiegeln nach den Signaturen der uns bekannten Form von Leben im Universum suchen. Bis in etwa 20 Jahren würden wir es entdecken, das Leben ausserhalb unserer Erde, behauptet er zuversichtlich. Aber erst Mitte dieses Jahrhunderts würden wir dann verstehen, woher sie kommt, diese Form des Lebens. Und in 50 Jahren hätten wir den Schlüssel zur Unsterblichkeit entdeckt. Wollen wir auch dieses Geschenk? Geht es uns dann besser?
Ich lese spätnachts den Artikel nochmals, den mir K. vergangenes Jahr zugesandt hatte: «Die Verantwortung der Beschenkten» von Christoph Quarch. Er schreibt, ursprünglich sei das Schenken und das Sich-beschenken-lassen ein Gespräch, eine Konversation, bei der ein Mensch einem anderen durch das Geschenk etwas Wesentliches sagte, worauf der Beschenkte Antwort gab, aber nicht durch eine Gegenleistung, nicht durch einen Tausch und nicht durch Geld, sondern einfach mit seinem Leben, mit seinem Tun und Lassen.
Was hast Du gesagt? Was stört ihn an unserem Gespräch, an unserer Konversation? Ich werde mir das Gespräch mit Dir nicht verbieten lassen – ausser es stört Dich, ausser ich störe Dich in Deinem Tun und Lassen! Dann werde ich verstummen und weitergehen auf meiner eigenen Wanderung. So hatten wir es vereinbart. Solange die Vereinbarung gilt, solange trägst Du Verantwortung. Du bist die Beschenkte.
Mit lieben Grüssen, auch an ihn! ▬
PS:
Liebe S., hier hast Du eine Antwort auf jene Frage, die Du vor Monaten gestellt hattest, die Frage, was er soll, dieser «Schreibrausch»:
Dieses Projekt soll mir den Blick schärfen. Es soll klären. Es soll mich hüten vor voreiligen Schlüssen. Es soll Fragen stellen. Und es soll mich immer wieder ermutigen, neu begegnen zu können: to explore, to dream and to discover!
Und gelingt es mir, so mag es dem Lesenden als Geschenk dazu verhelfen, es – das Schreiben – auch zu versuchen; dies hoffe ich!