Hallo, liebe L.
Keine Buchstabenspielereien, kein L is for… – es geht ganz schnell und die Welt steht scheinbar still, institutionalisierte Wohlfühlwelt samt der Rundumbetreuung. Nicht mehr ganz mündig komme ich mir dabei vor (zum Beispiel maximal drei Stunden Urlaub – und nur in Begleitung einer Bezugsperson). Hast Du mich nun vehement hierhin gebracht? Oder bist Du fraglos mitgekommen? Bist Du denn überhaupt hier, frage ich mich. Verweilst Du noch, machst Du Pause? Oder sind es einfach Deine Tränen, die jetzt fliessen?
Eigenartig ist für mich, dass zu Hause acht am Tisch Platz hätten und ich alleine frühstücke. Jetzt hatte R. liebevoll für 10 aufgedeckt, ich esse aber wieder allein.
Wohlfühlwelt? Oder hat jemand einfach die Verantwortung abgegeben nach dem Motto: Es ist Freitag, also befreie ich (mich). Wieder Wortspiel; aber besser spielen als leiden, oder? Da gehst Du sicher einig mit mir. Humor ist ja wirklich Deine Stärke! Apropos Humor, schade finde ich, dass sich N. nicht mehr meldet. Ja, sie ist prominent und vielbeschäftigt; Humor nicht nur als Berufung, sondern Profession. Humor als rundum nährenden Brotjob; vielleicht die beste aller Wohlfühlwelten.
Herzzerreissend war zuerst der Titel – erklärend steht aber im Netz: «So, dass es grosses Mitgefühl hervorruft.» So dramatisch will ich Dich nun wirklich nicht begreifen. Kommt dazu: Auf dem aktuellen Folio vom Februar steht auf der Front: «Mitgefühl hilft nicht!» – eine kühne Behauptung. Untertitel: Wieso Empathie trotzdem Karriere macht.
Ja, es hatte mir das Herz zerrissen nach einem kurzen Mailverkehr. Nur grad zwei Nächte ist es her; eine ohne Schlaf, die andere mit, nach der “Keule” auf der Zunge. Jetzt ist es einfach still. Felix (w) war zwar hier, ist aber still. Miles, der Kater, hätte da ganz andere Töne angeschlagen. Ich vermisse sie, ihn und die Töne! Das innige «Heee Du!»
Herzzerreissend? Nein, «Herz siegt gegen den Kopf» – wenn schon. Das Herz siegt so oder so, denke ich. Es ist wie Du, liebste L. – unzerreissbar.
Was die Ewigkeit überlebt, lässt sich nicht in Stücke reissen
Ich frage mich noch immer, was «…sie tuscheln wieder…» denn nun wirklich war – ein Hilferuf, wie ich die drei Worte ohne Anrede und Gruss interpretiert hatte, oder einfach sachlich eine Mitteilung. Nach dem Motto: Es ist wirklich so, glaube mir! Also ein Ruf nach Vertrauen? Die Frage nach dem Vertrauen in einer hübschen, kurzen, schnell dahingetippten Verpackung? Nach meiner Kurz-Intervention dann: «Bi immer no am schaffe, ha jeenschtes administrativs woni scho lang sett mache.» Distanzierung. Und zuletzt: «ich hab anschliessend mit meiner nachbarin zum hundespaziergang abgemacht… somit muss ich dich leider enttäuschen. ich hoffe, dass vorerst ein schriftlicher austausch auch plaisiert?» – bestimmt ist es jene Nachbarin, die wegen Ferienabwesenheit einmal mit einem Blumenstrauss von R. verwöhnt wurde. Stellvertretung, die mir das Herz zerreisst. Da hilft Mitgefühl wirklich nicht. Alleine frühstücken auch nicht. Und die Stille jetzt?
Plaisieren. Ein Wohlfühlwort. «Wohlgefallen. Innere Freude und Befriedigung in Bezug auf jemanden». F. liebt Wortspiele. Ich denke, sie ist immer wieder fähig, mir Worte auf den Weg zu streuen. Ich nehme sie auf, lese sie auf – und trage sie mit. Trigger nennt sich dies in der Fachsprache. Und weil ich dann spontan nicht mehr mittragen mochte nach der zweiten Distanzierung, hat sich das Herz frischfröhlich ins Drama gestürzt.
Hatte sie dies mit J. erlernt? Hat J. sie dazu ermuntert? Wortspielbeziehungsakt? Worte statt Taten? Oder war J. damals davon fasziniert? Wortspieler trifft Wortspielerin? Pure Liebe auf den ersten Blick – oder nun die süsse Rache am Mann an sich? Stellvertretung? Bin ich Teil eines Theaterstückes, das sich trotz allem fortsetzen muss. «Die Theaterrequisiten sind noch da», hatte sie erwähnt. Ich wurde hellhörig. Dinge gehören an ihren Platz. Oder weg. Die Neue soll die Dinge tragen. Und die Worte sowieso. Ich bitte Dich um Klärung für den Fall, dass es Dir wichtig ist. Das Herz klärt so oder so. Der Kopf drapiert sich, müht sich ab und flüchtet in der Not in die kontrollierte Wohlfühlwelt.
Hörst Du mir noch zu? Ich liebe Dich von Herzen – und ich bitte Dich, jetzt einfach etwas mehr Ruhe zu bewahren. Ja, Du musstest Dich gedulden, trotzdem. Gut Ding will Weile haben, pflegen sie zu sagen. Und gut soll es werden. Dies ist ja auch Dein Wunsch und inniges Begehren, denke ich.
F. geht nordwärts. Take care!, rufe ich ihr nach.
Auch sie wird immer wieder ihren eigenen Weg finden müssen. Ob, wie sie betont, als Einzelgängerin – oder eigenständig im Kreis der ihr wirklich zugewandten Vertrauenspersonen. Auch sie ist ein durch und durch soziales Wesen, nur so kann ich ihren Humor, ihren Schalk verstehen.
Was sucht sie in der Ferne? Ist es Ablenkung, Ausbruch oder einfach Inspiration? Weiss sie es? Will sie?… Versucht sie jetzt und heute, dies herauszufinden? Die schwarzweissen Bilder suchen, finde ich, ertasten von Mal zu Mal eine veränderte Realität – «ihr anderes Leben», wie sie einmal erwähnte. ▬