sich fremd werden

Du bist jetzt über den Wolken und kommst mit neu­en Eindrücken zurück in den Schnee aus der Kälte im hohen Norden. Ich sei der Spinner, hat­test Du noch geschrie­ben. Aber weisst Du, lie­be F., ich habe Dich ver­misst, ganz ohne Alltag und doch nicht fremd. «Guten Morgen» habe ich ver­misst und «gute Nacht».

Mehr Einsicht ist mir begeg­net über die­se Ostertage, die­se scheint mir wich­tig: «Damit sind sie beson­ders auf ande­re Menschen ange­wie­sen, die ihnen Sicherheit geben; wenn das nicht pas­siert, etwa weil die Eltern emo­tio­nal nicht aus­rei­chend ver­füg­bar waren, ent­wi­ckeln sie ein höhe­res Risiko für die Erkrankung.»

60 Tage ist es her: «Ich bin sehr dar­an inter­es­siert, mit Dir dar­über zu spre­chen. Ich habe sonst nie­mand, der sich dazu eig­net.» Du woll­test mehr erfah­ren über Animus und Anima …

Definitiv, hat­test Du gesagt, dann war ich in den Wolken, nicht uner­reich­bar, mir aber ziem­lich fremd. Zu schla­fen, sei jetzt wich­tig, hat man mir gesagt und gleich nach­ge­hol­fen, zuerst sanft, dann ziem­lich vehe­ment. So hat­te ich geschrie­ben, die Liebe sei nicht fer­tig, aber wohl am Ende. Schade, den­ke ich jetzt. Nun, viel­leicht habe ich ja eine zwei­te Chance, pas­send grad zu Ostern.

«Auch mir kannst Du Fragen stel­len. Was immer Du willst.» Darf ich wie­der, oder immer noch? Sind wir uns wirk­lich fremd?

«Es ist bekannt, dass Depersonalisation in indi­vi­dua­lis­ti­schen Gesellschaften wie der unse­ren viel häu­fi­ger vor­kommt als in kol­lek­ti­vis­ti­schen wie in Lateinamerika. Man erklärt das so, dass in indi­vi­dua­lis­ti­schen Gesellschaften der Einzelne weit mehr tun muss, um sozia­le Kontakte zu knüp­fen, um Geborgenheit zu erle­ben.» Dies stand an ande­rer Stelle.

Wenn nicht Lateinamerika, dann doch Wien – dort geht der “Schreibrausch” hin. Und weil ich Dich wie­der fra­gen will, und den Austausch will ich auch, «via Mail oder via Treffen. Beziehungsweise und/oder…», so ist das jetzt, nun auch mit mir.

Die Nahrungskette war abge­bro­chen, kommt es mir vor, ich muss­te wie­der­käu­en, wie das Reh, nur wei­ter oben, dort am Tor, an der Grenze zum bewuss­ten Sein, von mor­gens früh bis abends spät. So blieb ich still, bis auf den Chat mit Dir, dort war ich wirr, mir etwas fremd.

Bin jetzt in guten Händen. Sie ist jung, lacht schel­misch, herz­haft: «Ich weiss, wie du dich fühlst.» Ein Sonnenschein. «Ob ich mich in sie ver­lie­ben könn­te?», das hat mich noch kei­ne gefragt, das ist Brot für die Seele, wie das Lieblingsbild von Dir!

Lass uns die­se Kunst ver­su­chen. Davon leben kann man nicht, aber Nahrung ist es alle­mal. Ob hier, dort oder in Wien, auf jeden Fall mit Dir und gar nicht fremd. Hauptsache, die Kette reisst nicht ab, so geht es allen bes­ser, nicht nur Dir und mir.

Ich dan­ke Dir!  ▬