Wunder geschehen seltsam

Guten Tag Frau B.

Schrei­ben ist Über­le­bens­kraft, hat­te Melin­da gesagt. Nun, punkt vier, zuver­läs­sig auf­ge­wacht. «Sie rackert fünf Jah­re lang ohne Feri­en und nur zwei Stun­den Schlaf pro Nacht…», das steht im Inter­view. Stimmt nicht, hat­te ich gedacht, das kann nicht stim­men. Zwei Stun­den geht nicht, nicht wäh­rend fünf Jah­ren – bei mir sind es wenigs­tens drei.

If it makes you hap­py, it can’t be that bad – I pro­mi­sed you I would never give up.

Eins bis vier. Ich habe Fol­ge geleis­tet. «Nicht schla­fen geht gar nicht», hat­te Dr. T. gesagt. Ein­ver­stan­den. Regen­wald­nacht ent­stand gänz­lich ohne Schlaf. Geht nicht. Drei Stun­den, das sind zwei Zyklen, dann hat­te das Gehirn begon­nen, Sät­ze zu pro­du­zie­ren. Hat es auf eige­ne Faust begon­nen, hat es ihm Lily ein­fach erlaubt? I don’t care. If it makes you hap­py, it can’t be that bad. Schreib­rausch, Schreiblust? I don’t care.

Am 10.03.2017, 17:46 war Ihr E‑Mail ein­ge­trof­fen. Anfra­ge vom 06.03.2017, 10:44

Heu­te ist der 11. März (der Tag, an dem HAGARD ent­stand), vier Uhr grad vor­bei. Zuver­läs­sig auf­ge­wacht. Drei Stun­den Schlaf, nicht zwei. Zwei geht nicht, habe ich gesagt. Am glei­chen Abend in der Box die Urauf­füh­rung von “Tau­ben flie­gen auf”. Wun­der gesche­hen selt­sam, hat­te ich gedacht. – «Wun­der?», fra­gen Sie. Ja, die eige­nen, klei­nen Wun­der. Jedem ste­hen sie doch zu.

Love is a batt­le­field. Belie­ve me, I can’t tell you why. I don’t care, no mat­ter why!

Minu­ten frü­her: Die Mut­ter des Soh­nes teilt tele­fo­nisch mit, die Geburts­tags­par­ty am 17. März fin­de erst­mals nach 23 Jah­ren nicht statt. L. habe abge­sagt (er hat der Ursprungs­fa­mi­lie einen Korb gege­ben) – «es sei Zeit für die eige­ne Par­ty!»

I don’t care – mein Stopp­wort hat­te sie ver­langt.

Ich ver­las­se mich dar­auf, ich ver­su­che es: Wun­der gesche­hen selt­sam. Ihr E‑Mail war ein­ge­trof­fen. Eige­nes, klei­nes Wun­der. Dann die Urauf­füh­rung, dann Melin­da ken­nen­ge­lernt. Eige­nes klei­nes Wun­der. Sind wir noch zusam­men, fra­ge ich in Gedan­ken. Sprung­haft, hat­te er gesagt. Yes – but I don’t care. M. hat­te abge­sagt, spä­ter L. ken­nen­ge­lernt. Zwei Musen tun gut, hat­te ich gedacht. 22 Bücher, dann die Urauf­füh­rung, dann Melin­da ken­nen­ge­lernt…

«Alles Gute für Ihr Schreib­pro­jekt», hat­te sie geschrie­ben. «Herz­lich, Melin­da»

«Guten Tag Frau B., wären Sie bereit, für die­ses Pro­jekt etwas zu spon­sern, wenn auch viel­leicht ein gutes Wort

Um 17:46 war Ihr E‑Mail ein­ge­trof­fen: «Das klingt aber span­nend. Ich den­ke dar­über nach, was ich für Sie tun kann. Herz­li­che Grüs­se, B.» – sind wir noch zusam­men, fra­ge ich. Sprung­haft, hat er es genannt.

Lost on you, but I don’t care – Yes, you care. Now. But not fore­ver.

Nach drei Stun­den Schlaf, punkt vier. Pro­duk­ti­ve Sät­ze, hat­te ich geträumt. Sie hat­ten mich wach werden las­sen. Erleich­te­rung. Erin­ne­rung an “Tau­ben flie­gen auf”.

Manisch? Sub­ma­nisch, wie Dr. T. dann sag­te? Yes, I don’t care. Jeder ist des eige­nen Glü­ckes Schmied. Eigen­the­ra­pie. Drei Son­nen. Jeder hat mehr als zwei Gesich­ter, sagen sie. Kom­ma­tas?!? Geht gar nicht, hat­te F. gesagt. Ich schmunz­le. Sie schnaubt genüss­lich. Was soll ich Dir ans Bett brin­gen? Kaf­fee oder Tee? Ja, ich hät­te mich in dich ver­liebt, sagen sie.

«Korin­then­ka­cker», sagt die Pati­en­tin. Gehen wir jetzt duschen, fragt sie. Und dann, Sekun­den spä­ter: «Nein, nein, nicht zusam­men!» Wir lachen herz­haft.

«Gern gesche­hen», hat B. (“Autorin, Per­for­me­rin, Tea­ching Artist”) geschrie­ben. «Hat auch mir gut getan. Ich habe danach sehr gut geschla­fen und stark geträumt. Und hier sind noch die Blu­men zu ges­tern. Hebs guet. Lie­ber Gruss.»

Bald sechs Uhr mor­gens. Er wird die Türe öff­nen, den­ke ich. Schlaf­kon­trol­le. Yes, I care. Ich lege mich hin und schla­fe ein. Sanft.

I’ll be your cloud up in the sky.
I’ll be your should­er when you cry.
I’ll hear your voices when you call me.
I am your angel.

And when all hope is gone, I’m here, no mat­ter how far you are, I’m near.
It makes no dif­fe­rence who you are.
I am your angel.

Freund­li­che Grüs­se!  ▬


Übri­gens …

«Wenn wir Angst haben, wenn wir ver­liebt sind, zum Bei­spiel, ist die gan­ze Welt ver­zau­bert … In der Psych­ia­trie kann man dafür eine Dia­gno­se bekom­men …»

  Sonn­tag, 26.03.2017, Eck­art von Hirsch­hau­sen, SRF, Stern­stun­de Phi­lo­so­phie
Die wun­der­sa­me Macht der Gedan­ken. Über Glück, Medi­zin und – die Wun­der.

Regenwaldnacht

Guten Tag F.

Man kann nicht nicht kom­mu­ni­zie­ren, hat Paul Watz­la­wick gesagt; die ers­te sei­ner fünf Grund­re­geln mensch­li­cher Kom­mu­ni­ka­ti­on. Prag­ma­ti­sches Axi­om. Para­dox.

Man kann sich nicht nicht ver­hal­ten – genau­so kann man nicht nicht kom­mu­ni­zie­ren.

Dei­ne Ant­wor­ten sind wie­der spär­li­cher. Es steht viel zwi­schen den Zei­len. Nicht Du beginnst, Du reagierst. Dei­ne Ant­wor­ten sind wohl über­legt. Eigent­lich nicht spär­lich, son­dern spar­sa­mer dosiert. Wohl­wol­lend. Du beschleu­nigst nicht. Ich seh­ne mich nach der Ant­wort, wenn ich fra­ge und Du die Fra­ge ein­fach im Raum ste­hen lässt. Ich blei­be frei, mir eine Ant­wort zurecht­zu­le­gen.

Jede Kom­mu­ni­ka­ti­on hat einen Inhalts- und einen Bezie­hungs­aspekt, sagt er auch. Die zwei­te Regel. Dei­ne Fra­gen und Ant­wor­ten klam­mern sich manch­mal an den Inhalt, Bezie­hung soll war­ten, kann war­ten. Du schreibst: «Manch­mal sind “Din­ge” eben ein­fach nur “Din­ge”, ein Ex eben ein­fach nur ein Ex. Du erwähnst, Dir ein per­sön­li­ches Stopp­wort gegen nega­ti­ve Gedan­ken aus­ge­dacht zu haben. Du fragst nach mei­nem Stopp­wort…»

Es ist bald zwei Uhr. Die Foto­gra­fin hat kurz nach Mit­ter­nacht einen Hin­weis auf ihre aktu­el­le Arbeit gemailt. Kom­mu­ni­ka­ti­on ist immer Ursa­che und Wir­kung. Die drit­te Regel. Ich zei­ge Reak­ti­on, habe sofort ihre Web­site geöff­net. Mit­ten in der Legen­de zu den Por­traits steht: «Durch die dunk­le Umge­bung und die plötz­li­che Ruhe ent­steht ein Zwi­schen­raum.» – Es ist ruhig bei mir.

Allei­ne habe ich mehr als Zwi­schen­raum. Unend­lich­keit. Mein Uni­ver­sum!

Mensch­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on bedient sich ana­lo­ger und digi­ta­ler Moda­li­tä­ten. Das vier­te Axi­om. Bei Paul Watz­la­wick steht: «Die digi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­on ver­fügt über eine kom­ple­xe und logi­sche Syn­tax, ent­behrt aber auf dem Gebiet der Bezie­hun­gen einer Seman­tik.» Und wei­ter: «Die ana­lo­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on ver­fügt über ein sol­ches seman­ti­sches Poten­zi­al auf dem Gebiet der Bezie­hun­gen, ent­behrt aber einer Syn­tax, die eine ein­deu­ti­ge Defi­ni­ti­on der Natur von Bezie­hun­gen leis­ten könn­te.»

Mit ana­lo­gen Ele­men­ten wird häu­fig die Bezie­hungs­ebe­ne ver­mit­telt, mit digi­ta­len die Inhalts­ebe­ne.

«Es gibt Trä­nen des Schmer­zes und der Freu­de und ein Lächeln kann Sym­pa­thie oder Ver­ach­tung aus­drü­cken. Ana­lo­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on ist mehr­deu­tig und kann unter­schied­lich ent­schlüs­selt werden. Durch mög­li­che Fehl­in­ter­pre­ta­tio­nen kön­nen Kon­flik­te zwi­schen den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­part­nern ent­ste­hen» – oder aber ver­mie­den werden, den­ke ich. Wir mai­len uns. Ab und an ein­zel­ne Wor­te. «Ja.», hat­te ich geschrie­ben. Dei­ne Fra­ge war: «Gefal­len sie dir denn?» Ein ande­res Mal schreibst Du: “«Ok!» Gesen­det mit mei­nem iPho­ne.” Es gibt kein Tele­fon­ge­spräch, kei­ne miss­ver­stan­de­ne Trä­ne und kein auf­mun­tern­des Lächeln. Wir haben uns ein­mal getrof­fen, woll­ten uns unter dem Engel im Haupt­bahn­hof begeg­nen. Dann Dei­ne Fra­ge ganz kurz vor vier Uhr: «Kennst Du die Safari-​Bar?» – «Ja, so eine freund­schaft­li­che Umar­mung wäre gar nicht schlecht.» – dies war Dei­ne Nach­richt vor bald einem Jahr. – Wir hat­ten uns dann kurz umarmt in der Safari-​Bar

Und: Wir hat­ten gelacht. Du hat­test ges­ti­ku­liert. Ich hat­te noch in der glei­chen Nacht geschrie­ben. Wun­der­bar!

Kom­mu­ni­ka­ti­on ist sym­me­trisch oder kom­ple­men­tär. Die fünf­te Regel. «Bezie­hun­gen zwi­schen Part­nern basie­ren ent­we­der auf Gleich­heit oder auf Unter­schied­lich­keit.» Wir sind Kom­mu­ni­ka­ti­ons­part­ner. «Wie kann man einen Men­schen arsch­kalt links lie­gen las­sen, wenn die roman­ti­sche Lie­be nicht gegen­sei­tig ist?» schreibst Du vor ein paar Stun­den. Erin­nerst Du Dich: «…sooo schnäll wirsch mi nöd los!»?

Ich den­ke und glau­be: eine ech­te Bezie­hung ist nicht roman­tisch, Momen­te sind roman­tisch, hat­te ich Dir geschrie­ben – Liebst Du?…

Drei Uhr. Unend­lich Raum und Zeit. Die Regen­trop­fen schla­gen spar­sam gegen die Fens­ter. Ich war ges­tern mit D. im Regen­wald, im Masoala-​Regenwald. Ich hat­te ihn gebe­ten, die Augen zu schlies­sen und sich blind in die Hal­le füh­ren zu las­sen. Er hat sich auf alles ein­ge­las­sen; die Wär­me im Gesicht, Vogel­ge­zwit­scher, Uneben­heit unter den Füs­sen… (D. trägt zur Zeit an einem Fuss kei­nen soli­den Schuh, weil ein Band gezerrt ist.) Er hat sich auf alles ein­ge­las­sen. Wir sind dann die Wen­del­trep­pe hoch­ge­stie­gen bis zur Platt­form – als er die Augen geöff­net hat­te, war es eine neue Welt. Stau­nen. Freund­schaft­li­che Begeg­nung.

Ich habe jenes Gefühl dank­bar mit­ge­nom­men in die Nacht. Regen­wald­nacht. Du schläfst. Ich begeg­ne Dir. «Nichts­des­to­trotz hof­fe ich, dass du mein Mail ernst genom­men hast.» Ja, ich begeg­ne Dir ernst­haft. Wohl­wol­lend. Dank­bar.

Manch­mal, den­ke ich, ist unse­re Kom­mu­ni­ka­ti­on sym­me­trisch – manch­mal ist sie kom­ple­men­tär. Wir schrei­ben seit lan­ger Zeit. Kür­zer oder län­ger. Sach­lich. Dann fra­gend, emo­tio­nal. «Ich wün­sche Ihnen einen erfreu­li­chen Don­ners­tag!» stand am Schluss mei­nes Mails vom 21. Janu­ar 2016 – ja, das wün­sche ich Dir heu­te auch!

«Eine Stö­rung liegt dann vor, wenn es zu einer sym­me­tri­schen Eska­la­ti­on kommt, d. h. die Part­ner ver­su­chen sich gegen­sei­tig “aus­zu­ste­chen”. Eine sehr star­re Kom­ple­men­ta­ri­tät fin­det man in Mutter-​Tochter-​Beziehungen. Die Indi­vi­du­en in der Mutter-​Tochter-​Beziehung sind unter­schied­lich, … hier gibt es einen pri­mä­ren und einen sekun­dä­ren Part­ner…» – Du schreibst: «Ich hab mal als Kind mei­ne Mut­ter zu mei­ner Schwes­ter sagen hören: die kann man ein­fach nicht gern haben.»

Mei­ne Gedan­ken flie­gen. Wort fügt sich an Wort. Das Gespräch mit dem Pfle­ger hat den Kopf­schmerz gänz­lich ver­drängt. Spär­li­che Regen­trop­fen. Es kommt gut!

Dies zum Schluss: «Eine sym­me­tri­sche Bezie­hungs­form zeich­net sich dadurch aus, dass die Part­ner sich bemü­hen, Ungleich­hei­ten unter­ein­an­der zu mini­mie­ren (Stre­ben nach Gleich­heit).»

Vier Uhr. Schlaf­los ohne Müdig­keit. Du schläfst. Ich wün­sche Dir von Her­zen einen erfreu­li­chen Don­ners­tag.

Lie­be Grüs­se!  ▬

PS: Wann sehen wir uns?


Auf was ich noch hin­wei­sen woll­te…

  Im Rah­men der Stern­stun­de Phi­lo­so­pie von SRF gibt es ein inter­es­san­tes Gespräch mit dem Phi­lo­so­phen Alain de Bot­ton (57:01)…
…er sagt, «Lie­be ist immer kom­pli­ziert … Wir las­sen zu, dass Men­schen aller Gene­ra­tio­nen sich ver­lie­ben, Bezie­hun­gen ein­ge­hen und hei­ra­ten, ohne die gerings­te Ahnung zu haben, wie das geht … Lie­be ist kein Gefühl, Lie­be ist eine Fähig­keit …»

Plötzlich steht sie still, die Welt

Hal­lo, lie­be L.

Kei­ne Buch­sta­ben­spie­le­rei­en, kein L is for… – es geht ganz schnell und die Welt steht schein­bar still, insti­tu­tio­na­li­sier­te Wohl­fühl­welt samt der Rund­um­be­treu­ung. Nicht mehr ganz mün­dig kom­me ich mir dabei vor (zum Bei­spiel maxi­mal drei Stun­den Urlaub – und nur in Beglei­tung einer Bezugs­per­son). Hast Du mich nun vehe­ment hier­hin gebracht? Oder bist Du frag­los mit­ge­kom­men? Bist Du denn über­haupt hier, fra­ge ich mich. Ver­weilst Du noch, machst Du Pau­se? Oder sind es ein­fach Dei­ne Trä­nen, die jetzt flies­sen?

Eigen­ar­tig ist für mich, dass zu Hau­se acht am Tisch Platz hät­ten und ich allei­ne früh­stü­cke. Jetzt hat­te R. lie­be­voll für 10 auf­ge­deckt, ich esse aber wie­der allein.

Wohl­fühl­welt? Oder hat jemand ein­fach die Ver­ant­wor­tung abge­ge­ben nach dem Mot­to: Es ist Frei­tag, also befreie ich (mich). Wie­der Wort­spiel; aber bes­ser spie­len als lei­den, oder? Da gehst Du sicher einig mit mir. Humor ist ja wirk­lich Dei­ne Stär­ke! Apro­pos Humor, scha­de fin­de ich, dass sich N. nicht mehr mel­det. Ja, sie ist pro­mi­nent und viel­be­schäf­tigt; Humor nicht nur als Beru­fung, son­dern Pro­fes­si­on. Humor als rund­um näh­ren­den Brot­job; viel­leicht die bes­te aller Wohl­fühl­wel­ten.

Herz­zer­reis­send war zuerst der Titel – erklä­rend steht aber im Netz: «So, dass es gros­ses Mit­ge­fühl her­vor­ruft.» So dra­ma­tisch will ich Dich nun wirk­lich nicht begrei­fen. Kommt dazu: Auf dem aktu­el­len Folio vom Febru­ar steht auf der Front: «Mit­ge­fühl hilft nicht!» – eine küh­ne Behaup­tung. Unter­ti­tel: Wie­so Empa­thie trotz­dem Kar­rie­re macht.

Ja, es hat­te mir das Herz zer­ris­sen nach einem kur­zen Mail­ver­kehr. Nur grad zwei Näch­te ist es her; eine ohne Schlaf, die ande­re mit, nach der “Keu­le” auf der Zun­ge. Jetzt ist es ein­fach still. Felix (w) war zwar hier, ist aber still. Miles, der Kater, hät­te da ganz ande­re Töne ange­schla­gen. Ich ver­mis­se sie, ihn und die Töne! Das inni­ge «Heee Du!»

Herz­zer­reis­send? Nein, «Herz siegt gegen den Kopf» – wenn schon. Das Herz siegt so oder so, den­ke ich. Es ist wie Du, liebs­te L. – unzer­reiss­bar.

Was die Ewig­keit über­lebt, lässt sich nicht in Stü­cke reis­sen

Ich fra­ge mich noch immer, was «…sie tuscheln wie­der…» denn nun wirk­lich war – ein Hil­fe­ruf, wie ich die drei Wor­te ohne Anre­de und Gruss inter­pre­tiert hat­te, oder ein­fach sach­lich eine Mit­tei­lung. Nach dem Mot­to: Es ist wirk­lich so, glau­be mir! Also ein Ruf nach Ver­trau­en? Die Fra­ge nach dem Ver­trau­en in einer hüb­schen, kur­zen, schnell dahin­ge­tipp­ten Ver­pa­ckung? Nach mei­ner Kurz-​Intervention dann: «Bi immer no am schaf­fe, ha jeensch­tes admi­nis­tra­tivs woni scho lang sett mache.» Distan­zie­rung. Und zuletzt: «ich hab anschlies­send mit mei­ner nach­ba­rin zum hun­de­spa­zier­gang abge­macht… somit muss ich dich lei­der ent­täu­schen. ich hof­fe, dass vor­erst ein schrift­li­cher aus­tausch auch plai­siert?» – bestimmt ist es jene Nach­ba­rin, die wegen Feri­en­ab­we­sen­heit ein­mal mit einem Blu­men­strauss von R. ver­wöhnt wur­de. Stell­ver­tre­tung, die mir das Herz zer­reisst. Da hilft Mit­ge­fühl wirk­lich nicht. Allei­ne früh­stü­cken auch nicht. Und die Stil­le jetzt?

Plai­sie­ren. Ein Wohl­fühl­wort. «Wohl­ge­fal­len. Inne­re Freu­de und Befrie­di­gung in Bezug auf jeman­den». F. liebt Wort­spie­le. Ich den­ke, sie ist immer wie­der fähig, mir Wor­te auf den Weg zu streu­en. Ich neh­me sie auf, lese sie auf – und tra­ge sie mit. Trig­ger nennt sich dies in der Fach­spra­che. Und weil ich dann spon­tan nicht mehr mit­tra­gen moch­te nach der zwei­ten Distan­zie­rung, hat sich das Herz frisch­fröh­lich ins Dra­ma gestürzt.

Hat­te sie dies mit J. erlernt? Hat J. sie dazu ermun­tert? Wort­spiel­be­zie­hungs­akt? Wor­te statt Taten? Oder war J. damals davon fas­zi­niert? Wort­spie­ler trifft Wort­spie­le­rin? Pure Lie­be auf den ersten Blick – oder nun die süs­se Rache am Mann an sich? Stell­ver­tre­tung? Bin ich Teil eines Thea­ter­stü­ckes, das sich trotz allem fort­set­zen muss. «Die Thea­ter­re­qui­si­ten sind noch da», hat­te sie erwähnt. Ich wur­de hell­hö­rig. Din­ge gehö­ren an ihren Platz. Oder weg. Die Neue soll die Din­ge tra­gen. Und die Wor­te sowie­so. Ich bit­te Dich um Klä­rung für den Fall, dass es Dir wich­tig ist. Das Herz klärt so oder so. Der Kopf dra­piert sich, müht sich ab und flüch­tet in der Not in die kon­trol­lier­te Wohl­fühl­welt.

Hörst Du mir noch zu? Ich lie­be Dich von Her­zen – und ich bit­te Dich, jetzt ein­fach etwas mehr Ruhe zu bewah­ren. Ja, Du muss­test Dich gedul­den, trotz­dem. Gut Ding will Wei­le haben, pfle­gen sie zu sagen. Und gut soll es werden. Dies ist ja auch Dein Wunsch und inni­ges Begeh­ren, den­ke ich.

F. geht nord­wärts. Take care!, rufe ich ihr nach.

Auch sie wird immer wie­der ihren eige­nen Weg fin­den müs­sen. Ob, wie sie betont, als Ein­zel­gän­ge­rin – oder eigen­stän­dig im Kreis der ihr wirk­lich zuge­wand­ten Ver­trau­ens­per­so­nen. Auch sie ist ein durch und durch sozia­les Wesen, nur so kann ich ihren Humor, ihren Schalk ver­ste­hen.

Was sucht sie in der Fer­ne? Ist es Ablen­kung, Aus­bruch oder ein­fach Inspi­ra­ti­on? Weiss sie es? Will sie?… Ver­sucht sie jetzt und heu­te, dies her­aus­zu­fin­den? Die schwarz­weis­sen Bil­der suchen, fin­de ich, ertas­ten von Mal zu Mal eine ver­än­der­te Rea­li­tät – «ihr ande­res Leben», wie sie ein­mal erwähn­te.  ▬

Du bist auch ein Hund

Mei­ne gelieb­te L.

Die Blät­ter des Herbst­lau­bes werden hin- und her­ge­wor­fen.

Nur ein Bild von Dir ist mir geblie­ben, unwirk­lich, in einem roten Umschlag. Auf der Rück­sei­te admi­nis­tra­ti­ve Ver­mer­ke. Ambu­lant, E: 09.03.2004, Gynä­ko­lo­gie, Zürich. Errech­ne­ter Geburts­ter­min: 21. Okto­ber 2004 – Ich weiss, auch mei­ne Eltern hat­ten sich eine Toch­ter gewünscht, sie auch – mein Vater auf jeden Fall!

Es konn­te nicht wahr werden! Es durf­te – nicht – wahr – werden.

Es wird dicht. Die Erin­ne­rung. Sehn­sucht. Die Fra­ge nach dem Sinn bekommt über­ra­schend und uner­war­tet alle die­se Dimen­sio­nen, alle die­se Namen. Alles wür­dest Du jetzt zu ver­ste­hen ver­su­chen, jetzt, da sich Dei­ne Mut­ter und ich wegen Geld doch noch zu strei­ten begin­nen. «Dei­ne For­de­rung über­trifft in unvor­stell­ba­rer Wei­se alles Mass an Respekt­lo­sig­keit und Frech­heit, was mir je begeg­net ist», schreibt sie. Ver­häng­nis­vol­le Ver­knüp­fung. Ver­ir­rung.

Ihn, den Hund, gibt es Dei­net­we­gen. Er hät­te Dich beglei­tet.

Er wird im März 12 Jahr alt. Ich hof­fe es, denn wohl bald wür­dest Du Dich von ihm ver­ab­schie­den müs­sen. Es bleibt Dir erspart. Es ist dicht. Trä­nen. Er hat viel Lie­be und Zuwen­dung bekom­men, die auch Dir gehört hät­te. Sie ist unteil­bar, die Lie­be. Und ich weiss nicht, war­um sie sich jetzt so hef­tig bemerk­bar machen muss. Dei­net­we­gen, sei­net­we­gen. Oder ein­fach, weil sie sich jetzt ihren Platz nimmt. Einen Namen hat sie auf jeden Fall bekom­men, die Lie­be!

Wür­dest Du mich ver­ste­hen? Nicht die Geld­fra­ge – mich? Wür­dest Du Dich frei bewe­gen im Leben? Du hast Dei­ne Freun­din­nen und Freun­de nie ken­nen­ge­lernt, obwohl sie hier sind, hier im Leben. Sie wis­sen nichts von Dir. Bist Du ihnen im Traum erschie­nen? Ich den­ke es! Dei­ne Mut­ter gab es in mei­nem Traum, in mei­ner Sehn­sucht. Die Emo­ti­on sucht sich ihren eige­nen Weg und fin­det immer wie­der einen Platz, um lan­ge zu ver­wei­len.

Hat Dei­ne Mut­ter den Satz im Rausch geschrie­ben? Die Wut treibt selt­sa­me Blü­ten. Ja, ich war eifer­süch­tig auf ein schein­bar unbe­schwer­tes Leben mit den Rei­sen an fer­ne Orte. Der ‘ent­sorg­te’ Grab­stein Dei­nes Gross­va­ters liegt in mei­nem Gar­ten. Es ist dicht. Die Lie­be treibt selt­sa­me Blü­ten. Sie geht an einen neu­en Ort, um sich zu zei­gen.

F. hat die­ser Tage “Gra­ve with a View” foto­gra­fiert und mich so zu Dir geführt; und zu mir. Sie habe ein­mal als Kind ihre Mut­ter zur Schwes­ter sagen hören: «Die kann man ein­fach nicht gern haben» – Mut­ter­lie­be treibt selt­sa­me Blü­ten.

Übri­gens: Du hast drei Brü­der. Eine gros­se Fami­lie, eine ziem­lich anstren­gen­de, den­ke ich. Du bist stark. Du hast Dei­ne Ruhe und beseelst all jene, die unter­wegs sind, die sich noch ken­nen­ler­nen wol­len – manch­mal ken­nen­ler­nen müs­sen.

Ich hof­fe, Du bleibst uns treu in unse­ren Träu­men.

Ich lie­be Dich!  ▬

Der schlaue Fux

Die Ver­pa­ckung täuscht gewal­tig, lie­be F., sei acht­sam. Weiss kommt sie daher mit schmei­cheln­den Trä­gern. Ob es das sei, was Du bestellt hast, woll­test Du wis­sen.

Ja, sag­te ich und wen­de­te mich ab – nicht ohne den Damen im Vor­bei­ge­hen einen for­dern­den Blick zuzu­wer­fen.

Wir leben in einer hoch­tech­ni­sier­ten, dabei aber doch sehr archai­schen Welt, was das Ver­hal­ten von Weib­lein und Männ­lein betrifft. Die Gen­der­for­schung lässt tief bli­cken. Die wirk­li­che Gleich­be­rech­ti­gung hat wohl erst grad begon­nen – auch vie­le Män­ner kön­nen ein Lied davon sin­gen. Ich den­ke, ein wenig “mar­kie­ren” scha­det nicht, dort in Eurer schein­bar hei­len Frau­en­welt.

War­um der klei­ne, schlaue Fux Bukow­ski heis­sen muss, hat­te ich mich dort beim Strau­hof, gleich um die Ecke gefragt, als ich ihn für Dich ent­deck­te. Eine Web­site weiss Rat: «Bar­ba­ra Bukow­ski begann ihr Design mit der Her­stel­lung von Ted­dys und Hasen für Ihre bei­den Söh­ne.» OK, das passt. Ich hat­te natür­lich spon­tan an Charles Bukow­ski gedacht, was mich zurück zur Ein­lei­tung bringt – sei acht­sam, lie­be F., und lege die­sen schlau­en Fux nicht in die Hän­de eines der von Dir so gelieb­ten Kin­der. Tu es bit­te nicht!

…kann es sein, dass du fast mehr Angst hast als ich?

Ja, es kann sein. Ich weiss, dass es so ist! Du betreibst aber Rhe­to­rik. Ich hat­te Dich gefragt: «Wovor hast Du Angst? Kannst Du es beschrei­ben? Wovor fürch­test Du Dich?» Wir woll­ten offen und ehr­lich sein, ech­ter Dia­log, kei­ne Wort­spie­le­rei. Kei­ne Alltags-​Kommunikation, son­dern etwas, das der von Dir rekla­mier­ten Wahr­heit Schritt um Schritt etwas näher­kommt.

Der schlaue Fux wird Dir von mei­nen Ängs­ten und Abgrün­den erzäh­len. Er tut es lei­se und lie­be­voll – er lei­det nicht. Hab bit­te Geduld, er spricht nur in der Nacht. Er weiss alles, aber…

Angst habe ich davor, bedrängt zu werden!

Er bedrängt Dich nicht. Er ist ein­ge­hüllt und sehr dank­bar für einen ruhi­gen Platz. Zwi­schen­durch ist er übri­gens auch ger­ne ein­mal allein. Er trägt die Wahr­heit in sich, mit der sonst nur L. ver­traut ist. Es sind ja die eige­nen fei­nen Töne, die vom Lei­den berich­ten. Man muss gut zuhö­ren. Die lau­ten, gross­spu­ri­gen, kraus­haa­ri­gen und schwar­zen Mons­ter sind nur Vor­bo­ten. Stell­ver­tre­ter. Das eige­ne Lei­den braucht kei­ne gros­se Büh­ne, aber sehr viel Zeit und Auf­merk­sam­keit. Manch­mal hilft dann das offe­ne Ohr, nicht ein­fach das Mit­ge­fühl. Du ent­schei­dest selbst.

…am meis­ten Angst habe ich davor, nicht glück­lich zu sein.

Ich bin sprach­los. Grad jetzt. Oder ein­fach über­for­dert. Ich fra­ge auch zurück: was ist Dein Glück. Hat es einen Namen, eine Far­be oder gibt es auch ein Tier, das mir davon berich­ten könn­te? Schlau muss es schon sein, bit­te. Ist Dein Glück ger­ne für sich allein? Wohnt es ger­ne bei Dir oder muss es stän­dig «gefüt­tert» werden? Und, teilst Du es manch­mal, Dein Glück?

Fühl mich manch­mal wie ein Blatt im Wind…

«Ani­ma wird über­setzt mit Luft als Ele­ment oder Luft­hauch. Mit Wind, Atem, See­le, Leben oder aber abge­schie­de­ne See­le.» – L. weiss Rat. Wie gesagt, ich wer­de Dich L. vor­stel­len. Ver­spro­chen. Kei­ne Zeit zu haben sei idio­tisch, hat­test Du erwähnt. Ja, jeder ent­schei­det selbst. Idio­ten haben ihr eige­nes Glück!

«Wie­so hat dich mein Mail ges­tern irri­tiert? Hast du etwas nicht erwar­tet?» – Ich erwar­te nicht. Manch­mal. Nicht Dein Mail hat mich irriert, son­dern ein­fach die Umstän­de, die Bedin­gun­gen, das Ver­de­cken. Ich wie­der­ho­le mei­ne Fra­ge: «Ist es Dir wich­tig, Spiel­re­geln bestim­men zu kön­nen?» Oder ist es ein­fach Dei­ne Angst, die Zone des Kom­forts ver­las­sen zu müs­sen?

Ich den­ke an Dich!  ▬